Hühnermast In Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommern häufen sich die Anträge auf den Bau agrarindustrieller Anlagen in kaum vorstellbaren Größenordnungen. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) wies erneut auf „dramatisch anwachsende Überkapazitäten von Schlachtereien und Stallanlagen in der Hähnchenbranche“ hin. Die niederländische Plukon-Geflügelgruppe wolle zusätzliche Kapazitäten in Deutschland aufbauen und ihre Produktion im brandenburgischen Storkow bis 2012 verdoppeln. Allein in Klein Daberkow (Landkreis Mecklenburg-Strelitz) sollen zwei gigantische industrielle Hähnchenmastanlagen mit je 200.000 Tierplätzen, also einer Gesamtkapazität von insgesamt 400.000 Tierplätzen gebaut werden. Bei einer Mastdauer von 35 Tagen ergeben sich jährlich 8 Mastperioden, das heißt hier sollen ca. 3,2 Millionen Masthähnchen pro Jahr produziert werden.

Am Dienstag, den 20.07.2010 um 21:00 Uhr bringt das ZDF in Frontal 21 einen Bericht zum Thema!! Den Termin bitte verbreiten und die Sendung anschauen!

ABL-Sprecher Eckehard Niemann verweist darauf, dass „deren Investoren auf verschiedenen Internetseiten als Mitarbeiter der Plukon-Tochterfirmen Agrifirm und Strahmann aufgeführt würden. Die Muttergesellschaft Plukon (Marke „Friki“) wiederum, immerhin drittgrößter Geflügelschlachter Europas, sei kürzlich vom internationalen Finanzinvestor Gilde-Buy-Out übernommen worden. Manche Kritiker sprächen bereits vom „Einmarsch der Heuschrecken in die Hähnchenställe“.

Der Standort der geplanten Agrarfabrik in Klein Daberkow wird lieblich eingerahmt vom Naturschutz- und Tourismusentwicklungsgebiet Brohmer Berge, dem Naturschutzgebiet Lauenhagener See und dem Landschaftsschutzgebiet Helpter Berge. Die Anlage umfasst eine Gebäudefläche von mehr als zwei Hektar, eine Bodenfläche von 27.244 m² würde durch den Bau versiegelt. Ein schlüssiges Konzept für den Anlagenverkehr liegt nicht vor. Die betroffenen Straßen sind nicht für den entstehenden Schwerlastverkehr ausgelegt, die Zufahrtsstraßen sind im wesentlichen schmale Wirtschaftswege und Dorfstraßen. Die kleine Straße, die direkt am Anlagenstandort vorbei führt, ist ein ausgeschilderter Radwanderweg. In den umliegenden Ortschaften bestehen zahlreiche Engstellen, die einen gefahrlosen Begegnungsverkehr unmöglich machen.

Von dieser Agrarfabrik wird eine enorme Umweltbelastung ausgehen. Filter zur Verminderung oder gar Vermeidung der genannten Belastungen sind nicht vorgesehen!! Das heißt, Abluft, Feinstaub, Ammoniak und Keime weren vollkommen ungefiltert in die Umwelt entlassen. Von einer Beeinträchtigung des Grundwassers und der umliegenden Oberflächengewässer ist auszugehen. Die Geruchs- und Keimbelastung für die Einwohner ist erheblich. Untersuchungen, die eine Unbedenklichkeit der von solchen Anlagen ausgehenden Emmissionen sicher nachweisen, existieren derzeit nicht. Im Gegenteil, es gibt zahlreiche Studien, die eine Gesundheitsgefährdung vor allem durch Ammoniak, Kohlendioxid, Stäube, Endotoxine und Keime belegen. Es wird mit mindestens 4000 Tonnen Mist pro Jahr gerechnet, die dann auf einer Ackerfläche von 484 ha ausgebracht werden. Rückstände von Antibiotika und anderen Medikamenten können in das Grundwasser, den Boden und über die dort angebauten Nutzpflanzen in die menschliche Nahrungskette gelangen und zur Bildung von multiresistenten Keimen beitragen. Die Gefahr einer Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit kann hier nicht ausgeschlossen werden.

In § 2 Tierschutzgesetz heißt es: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm
Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“
Die Besatzdichte – 20-25 Hühner leben auf 1 m² – und die einseitige Zucht auf schnelles Muskelwachstum führen zu Schmerzen, Leiden und Schäden und sind mit einer art- und bedürfnisangemessenen, verhaltensgerechten Unterbringung, wie sie im Tierschutzgesetz vorgeschrieben wird, nicht vereinbar. Die gebotenen ethischen Schranken werden durch die Massentierhaltung immer wieder durchbrochen.

In der Region werden zahlreiche Tierzuchtbetriebe von ortsansässigen Agrargenossenschaften und Bauern betrieben. Parallel und im Einklang mit diesen entwickelt sich seit Jahren eine touristische Infrastuktur. In der bäuerlichen Landwirtschaft und im Tourismus steckt ein großes Potential des Reiselandes Mecklenburg-Vorpommern. „MV tut gut“ heißt der Slogan, mit dem das Land Mecklenburg-Vorpommern für sich wirbt. Der Widerspruch zum neuen Leitbild der Region Mecklenburgische Seenplatte könnte nicht größer sein. Dort heißt es: „Die Kulturlandschaft wird durch standortgerechte und umweltverträgliche Formen der Landnutzung erhalten und entwickelt. Es werden vielfältige Aktivitäten initiiert, einen funktionsfähigen Naturhaushalt sowie gute Umweltbedingungen wie ein mildes Klima und sauberes Wasser zu sichern, um Lebensqualität für die Bewohner und Erlebnisqualität für ihre Gäste vorzuhalten.“ Vor dem viel zitierten „Hintergrund sinkender Einwohnerzahlen“ muss dafür Sorge getragen werden, dass diese Region weiterhin gesund und attraktiv für die Menschen bleibt, die hier leben und arbeiten und dass weitere Menschen sich gern hier ansiedeln!

Die jüngste Entwicklung, agrarindustrielle Vorhaben dieser Größenordnung in vielen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns zu etablieren, wird von Bürgern, Unternehmen der Tourismusbranche und auch Vertretern bäuerlicher Landwirtschaft mit größter Besorgnis beobachtet. Sie verläuft konträr zu den Initiativen und Investitionen – auch seitens der Landesregierung – MV als Standort für gesunde, nachhaltige Landwirtschaft und ländlichen Tourismus zu etablieren. Diese Entwicklung kann nur als das Gegenteil von dem gesehen werden, was die ländlichen Regionen zukunftsfähig macht. Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit schaffen bedeutet, dass die vorhandenen Ressourcen und Potentiale so genutzt werden, dass sie dem Leben dienen und nicht lebensfeindlich organisiert werden. Nur so kann Zukunftsfähigkeit geschaffen und Gesundheit und Lebensqualität auf lange Sicht und nachhaltig erhalten werden.

Angesichts zunehmender Exportprobleme und des kaum noch ansteigenden Geflügelverbrauchs seien auch „unseriöse Jubelmeldungen“ über den Geflügelmarkt „völlig neben der Realität“, so die ABL. Sie forderte die Politik auf, sich für ein Verbot von Agrarfabriken, bessere Nutztierhaltungs-Verordnungen und die Förderung der Zukunftsmärkte einer „artgerechten Tierhaltung auf Bauernhöfen und in lebendigen Regionen“ einzusetzen. Wenn Fleischexporte ins nicht europäische Ausland nicht so lukrativ mit Subventionen belohnt würden, müsste Deutschland vermutlich kein Billigfleisch, zB. aus Brasilien, importieren. Schade, dass man das brasilianische Huhn auf dem Teller nicht mehr fragen kann, wo es tatsächlich herkommt. Die Antwort könnte lauten: Aus Deutschland…

Das gern bemühte Argument „Arbeitsplätze schaffen“, ist hier unangebracht. Vier Arbeitsplätze stehen der Zerstörung von Naturräumen, landwirtschaftlichen Nutzflächen, der Beeinträchtigung von Naturschutzgebieten und des Tourismus, der Gefährdung bereits bestehender kleinerer Betriebe der Geflügelproduktion mit ihren existierenden Arbeitsplätzen durch Verdrängung vom Markt, den unzumutbaren und tierschutzrelevanten Haltungsbedingungen der Hähnchen, der Umweltverschmutzung und Belästigung der Anwohner, der Gesundheitsgefährdung undundund gegenüber. Die Befürwortung und finanzielle Förderung solcher Agrarfabriken entzieht den echten Landwirten die Lebensbasis. Kurzfristig etablierte Massentierhaltung vergrößert die Krise der Landwirtschaft und das „stille Drama“ der Langzeitarbeitslosigkeit im ländlichen Raum. Längst bestehen bessere Konzepte für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Wenn aber statt Landwirtschaft Agrobusiness um die Dörfer herum stattfindet, so wirkt sich das auf diesen Prozess äußerst kontraproduktiv aus. Da erfahrungsgemäß die Genehmigung zum Bau einer solchen Anlage weitere Anlagen nach sich zieht, wird das Image ganzer Regionen nachhaltig geschädigt. Der Trend dazu ist in Mecklenburg zur Zeit nicht zu übersehen.

Nachdem ca. 300 Einwände gegen die Agrarfabriken in Klein Daberkow beim StAUN Neubrandenburg eingingen, gründete sich die Bürgerinitiative „Pro Landleben Brohmer Berge“. Diese schloss sich außerdem dem bundesweiten Netzwerk „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ an, einem Bündnis aus über 60 Bürgerinitiativen, Bauern-, Tierschutz- und Umweltverbänden, wie dem BUND und PROVIEH. Beim Erörterungstermin am 19.05.2010 in Mildenitz wurden seitens der Bürger viele Einwände, Befürchtungen und stichhaltige Argumente gegen den Bau dieser Anlagen mit Unterstützung des Rechtsanwaltes Herr Werner und Frau Corinna Czwielag vom BUND noch einmal vertieft. Dennoch sind viele Fragen offen geblieben, auch wenn es im Anschluss in Pressemitteilungen des StAUN hieß, dass „die wesentlichen Fragen geklärt seien“.

Die Bürgerinitiative ist für jede Unterstützung dankbar und um weitere rechtliche Schritte einleiten zu können, ist sie auch auf Spenden angewiesen. Informationen, Hintergründe, aktuelle Entwicklungen und das Spendenkonto erfahren Sie auf der Webseite der Bürgerinitiative „Pro Landleben Brohmer Berge“: http://bi-brohmerberge.de.

Lebensmittel müssen wieder das werden, was sie eigentlich sind: Mittel zum Leben! Und nicht unter tierquälerischen Haltungsbedingungen industriell „hergestellte“ billige Massen-„Produkte“. Berichte über die qualvollen Haltungsbedingungen in solchen Agrarfabriken (siehe Stern 22/2010) zeigen das öffentliche Interesse an Aufklärung über und an der Änderung dieser aus ethischer Sicht nicht vertretbaren Zustände. Wer sind wir Menschen, dass wir uns anmaßen, so mit der Natur und den Tieren, die uns zur Lebensmittelgewinnung und damit zur Lebenserhaltung dienen, umzugehen?? Es ist unverständlich, dass der Mensch so nachhaltig an dem Ast sägt, auf dem wir alle gemeinsam sitzen. Die Folgen, die das nach sich ziehen wird, kann heute keiner absehen. Unsere Kinder werden aber mit ihnen leben müssen!

Isabelle Czok-Alm & Peter Alm
«Die Erde hat genug für die Bedürfnisse eines jeden Menschen, aber nicht für seine Gier.» (Mahatma Gandhi)